Rotkäppchen und Grüne Hölle: Die Formel 1 und Deutschland

Shanghai – Grüne Hölle. Rotkäppchen. 12 WM-Titel, 178 Siege. Michael Schumacher als Rekordweltmeister. Deutschland hat die Formel 1 in den bisherigen 999 Rennen mitgeprägt – und in den vergangenen 25 Jahren sogar phasenweise dominiert.

Die Autofahrernation war 1951 erstmals Schauplatz eines Formel-1-Rennens, aber erst zehn Jahre später folgte der erste Sieg eines deutschen Piloten. Bis zum ersten WM-Titel sollte es noch viel länger dauern: 1994 löste Michael Schumacher mit dem ersten seiner noch immer unerreichten sieben WM-Triumphe einen Hype aus, der jahrelang anhielt.

Der 179. deutsche Formel-1-Sieg könnte nun ein historischer werden. Einer, der neben den 25 Punkten auch jede Menge Prestige bringt. Ein «Meilenstein», schreibt Sebastian Vettels Rennstall Ferrari zum 1000. Grand Prix in der Geschichte der Motorsport-Königsklasse in Shanghai.

Der 31 Jahre alte Heppenheimer könnte den Sieg beim Jubiläumsrennen als Stimmungsbeschleuniger mehr als gebrauchen. Er ist nur Fünfter in der WM-Wertung, liegt 22 Zähler hinter Spitzenreiter Valtteri Bottas aus Finnland von Mercedes. Theoretisch könnte Vettel mit einem Sieg beim Großen Preis von China also die Führung übernehmen, wenn Bottas (44) und Titelverteidiger Lewis Hamilton (43) gehörig patzen.

Gewinnen konnte Vettel allerdings nur 2009 auf dem Shanghai International Circuit, es war sein erster Sieg im Red Bull. Auch sonst steht der anspruchsvolle Kurs für besondere Siege deutscher Fahrer: Schumacher gelang dort 2006 im Ferrari der 91. und damit letzte Grand-Prix-Erfolg. 2012 feierte Nico Rosberg in China den ersten Sieg seiner Karriere und führte erstmals Mercedes nach der Rückkehr als Werksteam aufs oberste Treppchen.

Praktisch ausgeschlossen, aber zweifelsohne eine hollywoodreife Story wäre ein Sieg von Nico Hülkenberg beim Jubiläumsrennen. Seit 160 Teilnahmen wartet der mittlerweile 31 Jahre alte Renault-Pilot auf einen Podiumsplatz. Der gebürtige Emmericher hält damit einen Rekord, auf den er gut verzichten könnte. Kein Fahrer musste auch nur annähernd so lange warten. «Es ist schon etwas besonderes, dabei zu sein», sagte Hülkenberg vor dem 1000. Formel-1-Rennen.

Vettel, der viermalige Weltmeister, und Hülkenberg sind übrig geblieben von einer in der Saison 2010 sogar sieben Fahrer zählenden deutschen Fraktion. Zum zweiten Mal nacheinander gehen nur zwei deutsche Stammpiloten an den Start. Die Blütezeit ist vorerst vorbei.

Immer wieder kommen die Sorgen um das Heimrennen hinzu. Schon länger wieder raus aus dem Rennkalender ist der Nürburgring. Auf der hochgefährlichen Nordschleife, der berüchtigten «Grünen Hölle», wurden bis zum schrecklichen Feuerunfall von Niki Lauda 1976 WM-Rennen absolviert. Später kehrte die Rennserie noch einmal bis 2013 auf eine neu gebaute Grand-Prix-Strecke in die Eifel zurück, ehe chronische Finanzprobleme weitere Formel-1-Gastspiele verhinderten.

In diesem Jahr wird der Große Preis von Deutschland wieder auf dem Hockenheimring ausgefahren, am 28. Juli ist es soweit. Auf dem Kurs in Nordbaden, auf dem Idol Schumacher im Juli 1995 für den ersten deutschen Heimsieg überhaupt gesorgt hatte, konnte Vettel noch nie gewinnen.

Eine Begeisterung wie vor allem zu Schumachers Ferrari-Zeiten, als zig Tausende Fans mit roten Kappen an die Strecken kamen, konnte Vettel trotz seines Wechsels zur Scuderia bisher nicht entfachen. Er und Hülkenberg sind aber die aktuellen Nachfolger der vielen deutschen Rennfahrergenerationen. 47 Piloten aus Deutschland absolvierten mindestens einen Grand Prix.

Neben Schumacher, Vettel (52 Siege) und Rosberg (23) gewannen vier weitere Deutsche in der Formel 1. Michaels Bruder Ralf fuhr sechsmal als Erster ins Ziel, Heinz-Harald Frentzen dreimal und Jochen Mass einmal. Erster deutscher Grand-Prix-Gewinner war 1961 Wolfgang Graf Berghe von Trips, der insgesamt zwei Siege einfuhr, ehe er tödlich verunglückte. Drei von den Siegfahrern holten auch das Dutzend WM-Titel: Schumacher (7), Vettel (4) und Rosberg (1)

Beeindruckend ist dabei der Blick auf die Bilanz der vergangenen 25 Jahre. Denn sämtliche deutsche Titel wurden seit einschließlich 1994 geholt. Keine andere Nation kommt auch nur annähernd an diese Quote in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten heran.

Rechnet man noch die Erfolge dazu, an denen der deutsche Autobauer Mercedes – ob als McLaren- oder Brawn-Partner oder seit 2010 wieder als Werksteam – beteiligt war, wird die Bilanz noch mal kräftig aufpoliert: Mika Häkkinen 1998 und 1999 im McLaren-Mercedes, Hamilton 2008 im McLaren-Mercedes, Jenson Button 2009 im Brawn-Mercedes und die WM-Erfolge von Hamilton (2014, 2015, 2017, 2018) und Rosberg (2016) im Werks-Silberpfeil. Dass die deutsche Hymne angesichts der anhaltenden Mercedes-Stärke auch nach dem 1000. Rennen ertönt, ist also durchaus wahrscheinlich.


(dpa)

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