Airbnb für Autos nimmt deutschen Markt ins Visier

Stuttgart/Berlin – So besonders und einzigartig, findet Andre Haddad, sei das gar nicht mit der Liebe der Deutschen zu ihren Autos. «Auch in den USA lieben wir unsere Autos», sagt er.

Trotzdem hätten dort viele Menschen kein Problem damit, fremden Leuten gegen Geld für ein paar Tage die Schlüssel zu überlassen – so wie sie das ja auch mit ihren Wohnungen tun. Und Haddad ist überzeugt, dass die Deutschen da nicht viel skeptischer sind als die Amerikaner.

Seit Freitag (19. Januar) versucht sich der US-Anbieter
Turo in Deutschland. Haddad ist der Chef dieser Peer-to-Peer-Carsharing-Plattform, auf der Privatleute ihre Fahrzeuge tageweise an andere Privatleute vermieten können. Wer Airbnb kennt, wo Menschen ihre Zimmer, Wohnungen oder ganze Häuser zeitweise Fremden aus der ganzen Welt überlassen, wird das System schnell wiedererkennen.

Man gibt auf einer Internetseite oder in einer Handy-App ein, wann man wo für wie lange welche Art von Fahrzeug braucht, und die Plattform vermittelt einen Vermieter, der genau das im Angebot hat. Der wiederum bezahlt eine Art Provision an Turo. Die Allianz versichert die Autos für den Mietzeitraum.

Allein sind die US-Amerikaner damit nicht auf dem deutschen Markt. Das französische Unternehmen
Drivy etwa, nach eigenen Angaben Marktführer in Europa, verweist auf 1,5 Millionen Nutzer und 45 000 Autos in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Österreich und Belgien. Das niederländische
Snappcar zählt knapp 400 000 Nutzer und ebenfalls rund 45 000 Autos in den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Deutschland. Beide haben einen deutschen Anbieter übernommen, beide arbeiten ebenfalls mit der Allianz zusammen.

«Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung von Drivy in Deutschland», sagt der verantwortliche Manager Nils Roßmeisl. Mit mehr als 6000 Autos und gut 200 000 Nutzern sei es der zweitgrößte Markt nach der Heimat Frankreich und vor Spanien. Die Hauptaufgabe hierzulande sei, erst einmal ein Bewusstsein für Car-Sharing bei potenziellen Vermietern und Mietern zu schaffen.

Auch Turo fängt nicht bei null an: Mit dem Start geht die Plattform Croove aus dem Hause Daimler darin auf. Der Stuttgarter Autobauer, zu dem auch der Car-Sharing-Anbieter Car2Go gehört, war vergangenes Jahr bei Turo eingestiegen. Wie groß Croove bislang war, will Daimler nicht verraten. Nur so viel: Man sei zufrieden mit dem Wachstum.

Turo hat nichts weniger als die Marktführerschaft in Deutschland bis Ende des Jahres als Ziel ausgegeben. Mehr als fünf Millionen Mitglieder und 200 000 Autos hat die Plattform in den USA, Kanada und Großbritannien. «Das Geschäft wächst sehr schnell», sagt Haddad. In sechs bis zwölf Monaten könne in Berlin und München die «kritische Masse» erreicht sein – sprich: so viele Nutzer, dass das System vernünftig funktioniert. In Städten wie Stuttgart, Frankfurt oder Köln dürften es wohl zwei bis drei Jahre werden, glaubt er.

Der hiesige Turo-Chef Marcus Riecke, früher unter anderem bei StudiVZ und zuletzt bei der Nachbarschafts-Plattform Nextdoor, hält Deutschland unter anderem wegen des großen Automarkts für ein lohnendes Ziel. Außerdem sei es ein beliebtes Reiseland vor allem auch für Besucher aus dem Ausland. Und, das betont auch Haddad: Die sogenannte Sharing Economy, also die gemeinschaftliche Nutzung von Dingen anstelle von Besitz, laufe gut in Deutschland.

Nach Erfahrungen von Drivy-Chef Roßmeisl sind die Deutschen aber doch etwas anders als Andere. «In Frankreich und Spanien gilt das Auto in erster Linie als Fortbewegungsmittel, nicht als Statussymbol, wie es in Deutschland eher noch der Fall ist», sagt er. Auch werde das Angebot dort mehr von Urlaubern genutzt. «Bei uns ist Drivy vor allem für Städter attraktiv, die ein paar Tage aus der Stadt rauswollen oder ein Fahrzeug für einen Transport oder Umzug benötigen.»

Insgesamt, das haben auch die Autohersteller erkannt, ist der Besitz eines eigenen Wagens aber auch hierzulande für viele nicht mehr das Nonplusultra. Und das erklärt auch das wachsende Engagement der Hersteller auf dem Feld der Mobilitätsdienstleistungen, auch wenn das streng genommen ihrem Kerngeschäft schadet, dem Verkaufen von Autos. Es gilt das Motto: Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer und verdient damit Geld.

Haddad sagt, letztlich hätten ja alle etwas davon: die Mieter, die ohne eigenes Auto mobil seien, und die Vermieter, die Geld mit ihrem Wagen verdienen könnten, der sonst die meiste Zeit nutzlos irgendwo herumstehe. Im Schnitt reichten neun Tage Vermietung im Monat, um die laufenden Kosten wieder herauszuholen, rechnet er vor.


(dpa)

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