Entthront oder entfesselt: Hamiltons letzte WM-Chance

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São Paulo – Lewis Hamilton hat schon so einiges mitgemacht. So führte er 2007 einen bitterbösen Stallkrieg. Er war damals Formel-1-Debütant, der andere war Fernando Alonso.

Der Spanier war ein gerade eingekaufter neuer Superstar des britischen Traditionsteams McLaren und kam als frisch gekürter zweimaliger Weltmeister. Hamilton verzockte im selben Jahr womöglich auch aufgrund der mitunter eskalierenden Psychonummern der beiden Teamrivalen ebenso wie Alonso die WM – finaler Tatort damals das Autódromo José Carlos Pace von São Paulo.

Im darauffolgenden Jahr schlug Hamilton entschlossener denn je zurück und wurde Weltmeister – in Brasilien. Weil er auf den letzten Metern doch noch den damaligen deutschen Toyota-Piloten Timo Glock überholen und den nötigen fünften Rang retten konnte. Was wäre wohl aus dem begnadeten Instinkt- und Bauchfahrer Hamilton geworden, hätte er es da wieder nicht geschafft?

Sein jetziger Rivale Nico Rosberg hat sich jedenfalls von zig Rück-, Tief- und Niederschlägen nie stoppen lassen. Rosberg, seit 2006 und damit ein Jahr länger als Hamilton in der Formel 1, analysierte alle Negativereignisse. Er arbeitete an sich und ist nun der, der den so dominierenden Piloten der Jahre 2014 und 2015 bezwingen kann.

Nach dem Titel von 2008 musste Hamilton sich gedulden. Fünfter wurde er 2009, Vierter 2010, wieder Fünfter 2011 und wieder Vierter. Dann kam der Wechsel von McLaren zu Mercedes. Hamilton wurde der Nachfolger des siebenmaligen Weltmeisters Michael Schumacher und im ersten Silberpfeil-Jahr wieder Vierter. Ein Rennen gewann er.

Mit der Turbo-Ära startete auch er durch, Hamilton gewann seit Saisonbeginn 2014 29 Rennen. Insgesamt kommt er mittlerweile auf 51 Grand-Prix-Erfolge. Mit Nummer 52 würde er allein den zweiten Platz in dieser Bestenliste übernehmen. Noch muss er ihn sich mit dem viermaligen Weltmeister Alain Prost aus Frankreich teilen.

Der Wechsel zu Mercedes war Hamiltons Befreiung. «Als ich in die Formel 1 gekommen bin, wurde mir gesagt, dass ich mich anzupassen hätte. Also habe ich mich angepasst», sagte er einmal in einem Interview. «Es ist erst, seitdem ich in diesem Team bin, dass ich so sein kann, wie ich auch immer sein wollte. Und wie ich bin.»

Als er nach der Panneserie in diesem Jahr nahezu verschwörerische Tendenzen witterte – und vor allem auch öffentlich äußerte -, brachte Teamaufsichtsratschef Niki Lauda selbst dafür Verständnis auf. «Das ist so, wenn ein Fahrer aufgebracht ist. Ich war in meiner Karriere einige Male aufgebracht und habe einiges an Müll gesagt. Diese Dinge können aus den Emotionen heraus passieren.»

Hamilton unplugged. Leidenschaftlicher Musiker mit Star-Attitüde, Jetsetter, Weltenbummler. Hamilton, der Rastlose. «Ich weiß es selbst nicht, es ist verrückt», sagte er vor Saisonbeginn auf die Frage, wie viele Ländern er während der Winterpause besucht habe. Einmal sei er an nur einem Tag in drei verschiedenen Ländern gewesen, erzählte er.

In der Sommerpause, in die er nach einer famosen Aufholjagd nach zuvor 43 Punkten Rückstand auf Rosberg mit 19 Zählern Vorsprung gegangen war, machte Hamilton Station in Barbados, Grenada, den USA (New York City), Costa Rica und Jamaika. Und so freute er sich auch auf die finalen Übersee-Grand-Prix‘. «Das ist mehr Abenteuer als bei den Rennen in Europa.» Rosberg wäre lieber weiter in Europa gefahren, näher an der Familie.

Dass Hamilton einen Privatjet hat und diesen oft und gern via Twitter und Facebook sponsorenfreundlich postet, ist längst akzeptierte Normalität. Dass er eine dicke Goldkette trägt, gehört bei ihm ebenso dazu wie der Helm, wenn er im Wagen sitzt. Er liebt Tattoos und lässt seine Fans daran und an vielem anderem in seinem Leben durch soziale Netzwerke teilhaben. Hamilton, der sich eine Zeit lang auch schon mal vom selben Management betreuen ließ wie David Beckham, hat dafür allerdings auch Personal.

Die erste Niederlage in einem WM-Kampf seiner Karriere gegen einen Teamkollegen kann er nur ganz alleine verhindern. Und dazu ist er fest entschlossen, wie damals 2008, in Brasilien.


(dpa)

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