Café Racer oder Nostalgie auf zwei Rädern

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Köln – Die jungen Männer trugen damals schwarze Lederjacken mit Nieten, Pins und Clubabzeichen. Zwischen ihren Beinen klemmten heiß gemachte Motorräder mit Höckersitzbank und Stummellenker, optisch an die damaligen Rennmaschinen angelehnt. Damals, das war das England der 1960er Jahre.

Die Maschinen waren mehr als nur Fortbewegungsmittel. Sie waren ein Ausdruck einer Haltung, eine Flucht aus gesellschaftlichen Zwängen. Die Männer trafen sich an Straßencafés und Truck-Stops an den Ausfallstraßen Londons. Besonders beliebt war das Ace Café in London, von wo aus die Rennen in die Umgebung starteten. Daher stammt der Name für diese Maschinen – Café Racer.

Den Namen hört man heute wieder häufiger – und sieht Bikes in diesem Stil auf den Straßen. «Mit der Retro-Welle bei Motorrädern wurden vor ein paar Jahren Café Racer wieder modern», sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Man erkennt sie an ihren Stummellenkern und der Höckersitzbank. «Es geht bei den Maschinen mehr um Optik als um eine möglichst hohe Leistung», sagt Bente. Allerdings sei die fast liegende Sitzposition nicht für jeden Fahrer bequem. «Durch die vorne liegenden Lenker müssen sich Fahrer weit nach vorne beugen, so dass viel Druck auf die Handflächen entsteht. Das kann mit der Zeit unangenehm sein», sagt Bente.

Oft werden die Bikes in stundenlanger Arbeit umgebaut, immer ganz individuell. Nur wenige Maschinen gibt es direkt ab Werk. Dazu zählen Modelle wie die BMW R nineT (ab 14 900 Euro), Triumph Thruxton 1200 (ab 12 500 Euro), Moto Guzzi V7 II Racer (ab 9990 Euro), Kawasaki W800 (ab 8290 Euro) oder die Royal Enfield Continental GT (ab 6299 Euro). Im Gegenzug haben die Supersportler und vollverkleideten Motorräder an Bedeutung verloren.

Da die Auswahl ab Werk klein ist, bieten sich vor allem ältere, günstige Motorräder für einen Umbau an. «Es gibt mittlerweile viele Tuning-Teile auf dem Markt. Wichtig ist aber, dass die eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) haben und die Technik hinterher einwandfrei funktioniert», sagt Bente. Vor allem BMW-Motorräder eigneten sich durch ihr Baukasten-System und ein großes Angebot an Zubehörteilen gut für einen Umbau. Vorteil bei den gebrauchten Maschinen: Das Motorrad entsteht ganz individuell nach den eigenen Vorstellungen und wird so ein Einzelstück.

Der Nachteil älterer Maschinen auch nach dem Umbau: Sie müssen auf moderne Fahrzeugtechnik wie ABS oder Stabilitätskontrolle verzichten. «Wer Wert auf eine hohe Sicherheitsausstattung legt, kommt an einer neuen, teuren Maschine nicht vorbei», sagt Bente. Und auch Garantie und Gewährleistung gebe es nur bei neuen Maschinen.

Den meisten Kunden scheint das egal zu sein, für sie zählt die Optik. «Café Racer sind einfach, reduziert und sehen cool, gefährlich und verwegen aus. Das macht sie für viele Motorradfahrer interessant», sagt Jens vom Brauck vom Motorraddesigner JvB-moto. Denn viele Fahrer wünschen sich neben der komplexen, rationalen, digitalen Arbeitswelt in ihrer Freizeit ein minimalistisches, einfaches und ruhig etwas unvernünftiges Motorrad. «Café Racer und Scrambler kann man auch als Gegenpol zur Hightech-Welt sehen», sagt vom Brauck.

Der neue Trend zur reduzierten Maschine kam aus den USA. «Nach der Wirtschaftskrise konnten die US-Customizer ihre teuren Custom-Harleys nicht mehr verkaufen», erzählt vom Brauck. Viele versuchten sich an günstigeren, einfacheren Motorrädern. «Obwohl Café Racer eigentlich unpraktisch und unbequem sind, lässt sich damit cool und einigermaßen schnell fahren.» Heute sollen die Maschinen in erster Linie cool aussehen. «Dafür eignen sich vor allem alte Maschinen aus der damaligen Zeit», erklärt vom Brauck. Allerdings sei die Technik der Oldtimer weniger zuverlässig und nur Hobbyschraubern mit viel Leidenschaft und Leidensfähigkeit zu empfehlen. Wer nur fahren möchte und ein sicheres und zuverlässiges Motorrad suche, solle lieber zu einem modernen Modell greifen.

Axel Budde von der Firma Kaffeemaschine in Hamburg veredelt hauptsächlich Motorräder von Moto Guzzi, ganz individuell und in Handarbeit. Pro Jahr zerlegt, entkernt, tunt und baut er bis zu drei Maschinen ab rund 30 000 Euro inklusive Spendermaschine und Tuning. «Café Racer haben etwas Sympathisches, Uriges», findet Budde. Durch den schmalen und langen Tank müssen sich die Fahrer weit nach vorne strecken. Das wirke sportlich und «erinnert an eine Rakete oder an einen Rennfahrer.» Bei den Maschinen sitze der Fahrer fast auf dem Motor. Es sei ein hartes und knochiges Fahren, aber direkt und sehr ehrlich. «Café Racer sind Maschinen nur für den Fahrer, der mit einem auf das Wesentliche reduzierte Bike schnell und wendig unterwegs sein will», sagt Budde. Wichtig sei aber auch ein ruhiger, kraftvoller und charakterstarker Motorlauf – eben wie bei einer historischen Rennmaschine.

Auch wenn der Begriff des Café Racers heute sehr gedehnt sei und es viele weich gespülte und verwässerte Motorräder mit Assistenzsystemen gebe, stehen etliche Biker auf die puristischen Zweiräder. Um aus ihrem Alltag auszubrechen. Genau wie damals die Rocker in ihren Lederjacken.


(dpa/tmn)

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