Wie Autodesigner mit Lichteffekten spielen

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Paris – Die Form ist schlicht und schnörkellos, aber sie schimmert in allen Farben. Wenn Mercedes-Designchef Gorden Wagener seine jüngste Studie Generation EQ startet, kommt Leben in die schwarze Kunststofffront, die er dort montiert hat, wo früher der Kühlergrill war.

Als hätte man ein Smartphone hochgefahren, schillert dieses sogenannte Black Panel, imitiert mit blauen Linien den alten Grill, lässt in Weiß einen Mercedes-Stern sichtbar werden und zündet zugleich die LED-Scheinwerfer. Wo es früher vor allem ums Sehen ging, inszeniert Mercedes jetzt fast eine kleine Show aus Licht.

Das liegt augenscheinlich im Trend: Das zeigen zahlreiche Designstudien, bei denen die Kreativen mehr denn je mit Licht und Farben spielen. Sei es beim großen Geländewagen Ssangyong LIV-2 mit seinem beleuchteten Kühlergrill oder dem Renault Trezor, dessen Rückleuchten aus einem Dutzend Glühfäden bestehen, die einzeln von roten Lasern illuminiert und zur Steigerung der Intensität unterschiedlich stark verdreht werden können.

Vor allem aber nutzen sie den neuen Gestaltungsspielraum bei reinen Elektrofahrzeugen – und zwar insbesondere aus zwei Gründen: Weil es erstens technisch endlich möglich wird, die ganze Front zu illuminieren, wenn dahinter kein Motor mehr steckt, der nach Frischluft und Kühlung giert. «Der Elektroantrieb schafft für Designer deutlich größere Freiräume», freut sich deshalb VW-Kreativchef Klaus Bischoff. Und weil sich zweitens Elektrofahrzeuge irgendwie differenzieren müssen, damit man sie als Boten einer neuen Zeit erkennt und für so cool hält wie ein Smartphone neben einem Handy mit Tasten, sagt der Kölner Designkritiker Paolo Tumminelli.

Wie weit das führen kann, zeigt neben dem Mercedes EQ der ganz ähnlich gestrickte VW I.D., dessen Scheinwerfer-Augen buchstäblich lebendig werden, wenn das Auto losfährt. Es schaut tatsächlich in die Kurve und ändert seinen Blick mit der Geschwindigkeit, erläutert ein VW-Sprecher.

Sobald die Studie in den für 2025 vorgesehenen autonomen Fahrbetrieb wechselt, schalten sich blaue Dioden in den Schürzen an Front und Heck, in den Seitenschwellern und um die dann ausgefahrenen Laserscanner auf dem Dach zu, um auf den Einsatz des Autopiloten hinzuweisen. Und wenn man den Wagen wieder abstellt, sagt er mit einem eigens programmierten Szenario freundlich «Goodbye», bevor I.D. die Augen schließt und das Licht erlischt.

Dass die Designer gerade so gerne mit dem Licht spielen, liegt nicht allein daran, dass sie irgendwie den Elektroantrieb inszenieren und ihre neuen Modelle so von den konventionellen Verbrennern abgrenzen wollen, sagt Tumminelli. Sondern vor allem im Hinblick auf das autonome Fahren kommt der Beleuchtung eine große Bedeutung zu. Weniger wegen des Sehens, weil die Sensoren keine Scheinwerfer mehr brauchen. Sondern wegen des Gesehenwerdens, sagt der Experte und spricht von einer wortlosen Kommunikation zwischen dem Auto und den anderen Verkehrsteilnehmern.

«Licht wird dann zur Sprache», ist Mercedes-Zukunftsforscher Alexander Mankowsky überzeugt. Deshalb signalisieren autonome Studien wie der Mercedes F 015 oder der VW I.D. nicht nur ihre führerlose Fahrt mit einem speziellen Lichtszenario, sondern nutzen die Dioden auch zu einem tatsächlichen Dialog mit Passanten. Die VW-Studie zum Beispiel kann Menschen auf dem Bürgersteig buchstäblich anschauen und ihnen so zu verstehen geben, dass die Elektronik sie «gesehen» hat, erläutert ein Mitarbeiter aus dem Entwicklungsteam. Und der Mercedes F 015 projiziert sogar einen Zebrastreifen auf die Straße, um eine sichere Überqueren zu signalisieren, erläutert Mankowsky.

So groß die Freiheiten bei einem Elektroauto sind, so schnell stoßen die Lichtbildner dort allerdings auch an ihre Grenzen, muss Renault-Designchef Laurens van den Acker einräumen – selbst wenn er bei seinem Showcar Trezor vorne wie hinten genauso verspielte Ideen umgesetzt hat. Auf einer Messe, wo die Autos die ganze Zeit am Strom hängen, mag das kein Problem ein, sagt van den Acker. «Aber wenn wir die ganze Illumination auf der Straße inszenieren würden, geht ruck zuck der Akku in die Knie und die Reichweite in den Keller.»


(dpa/tmn)

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