Frust und Intrigen: Alonso sucht Ausweg aus McLaren-Krise

London – Die peinliche Affäre um ein paar Schokoriegel holte Fernando Alonso schnell wieder in den bedrückenden Alltag des abgestürzten Formel-1-Riesen McLaren zurück.

Sollte der frühere Weltmeister nach seinem Triumph beim 24-Stunden-Klassiker in Le Mans gehofft haben, auch in der Formel 1 bald wieder bessere Zeiten zu erleben, sieht sich der Spanier umgehend enttäuscht. Sportlich versinkt McLaren vor der Reise nach Österreich erneut tief im Mittelmaß – und nun ist die Stimmung nach der medienwirksamen Blamage um eine froschgrüne Süßigkeit endgültig im Eimer.

Als Bonus für ihren anhaltenden Kampf gegen die Dauerkrise auf der Rennstrecke hatten Team-Mitarbeiter zuletzt Riegel der britischen Marke «Freddo» erhalten – und fühlten sich veralbert. Anonym beschrieben einige McLaren-Angestellte im englischen Boulevardblatt «Daily Mail» das Betriebsklima als «vergiftet» und die Teamspitze als «ahnungslos». Dass McLaren seit 2012 auf einen Sieg wartet und auch nach dem sündteuren Wechsel des Motorenpartners in diesem Jahr kaum vorwärtskommt, wirkt als Treibstoff für Frust und Intrigen.

Auch Alonso kann seine Übellaunigkeit kaum noch verbergen. Beim jüngsten Rennen in Frankreich, dem dritten in Serie ohne Punkte für einen McLaren-Fahrer, schnarrte der 36-Jährige einmal mehr seinen Unmut in den Boxenfunk. Mit ätzenden Botschaften hatte er bereits in den drei Jahren zuvor seinem Ärger über den überforderten Motorenbauer Honda Luft gemacht.

Schließlich trennte sich McLaren von den Japanern, der Wechsel zu Renault kostete rund 85 Millionen Euro. Stand jetzt aber hat er kaum etwas gebracht, weil den früheren Titelhamstern das neue Chassis ziemlich missraten ist.

«Das war bei weitem die schlechteste Leistung des Jahres. Ich hoffe wirklich, wir sind in Österreich wieder in Form», sagte Alonso nach seinem Aus in Frankreich. Zeit für Verbesserungen aber gibt es kaum. In Spielberg wird schon an diesem Wochenende gefahren, direkt danach folgt das McLaren-Heimrennen in Silverstone.

«Ich vertraue dem Team», beteuerte Alonso und erklärte auf weitere Nachfragen: «Wie ich es schaffe, positiv zu bleiben, zu lachen, zu atmen, zu essen, zu schlafen? Ich bekomme das ziemlich gut hin. Ich fühle mich privilegiert.»

Wie ernst Alonso das noch meint, ist ungewiss. Seit seinem Sieg in Le Mans haben die Spekulationen um einen Formel-1-Ausstieg des Asturiers zum Jahresende kräftig Fahrt aufgenommen. Im nächsten Jahr könnte sich Alonso ganz auf seinen zweiten Versuch konzentrieren, die 500 Meilen von Indianapolis zu gewinnen und damit die sogenannte Triple Crown des Motorsports perfekt zu machen. Siege in Monaco, Le Mans und bei den Indy 500 – das hat bislang nur Graham Hill geschafft.

Die Jagd nach dem Legenden-Status als Motiv für die Formel-1-Flucht, das klingt plausibel. McLaren soll bereits Kontakt zum Australier Daniel Ricciardo aufgenommen haben, dessen Vertrag bei Red Bull ausläuft und der ein starker Nachfolger für Alonso wäre. Im Gespräch ist eine saftige Millionen-Gage, um dem 28-Jährigen den Wechsel von einem Siegerteam auf die McLaren-Baustelle zu erleichtern.

Doch das Trauerspiel bei den Briten könnte Ricciardo abschrecken. Einst dominierte McLaren mit den Stars Ayrton Senna und Alain Prost die Formel 1, seit dem bislang letzten Titel durch Lewis Hamilton aber sind zehn Jahre verstrichen. «Wir sind auf einer Reise und noch nicht da, wo wir sein wollen», sagte Rennleiter Eric Boullier.

Der 44-Jährige, im fünften Jahr bei McLaren, steht im Zentrum der «Freddo»-Affäre und musste im Kreuzverhör der britischen Medien zuletzt schon Fragen nach seiner Demission beantworten. «Nein, ich trete nicht zurück», versicherte der Franzose mit sichtbarem Zorn. Stattdessen gab Boullier zu verstehen, im Team den Informanten für die Schokoriegel-Enthüllungen ausfindig machen zu wollen. Es ist keine Zeit des Zuckerschleckens bei McLaren.


(dpa)

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