Das zögerliche Design der neuen E-Autos

Genf – Die Hersteller übertrumpfen sich auf dem diesjährigen
Genfer Autosalon (7. bis 17 März) gegenseitig mit neuen Elektroautos. Doch die Fahrzeuge sehen oft aus wie immer. Warum das so ist, erläutert Designprofessor Paolo Tumminelli von der TH Köln auf einem Rundgang durch die Hallen des Palexpos.

Die gestalterischen Möglichkeiten, die sich dank der E-Mobilität beim Pkw-Bau bieten, werden längst nicht ausgeschöpft, wie sich zum Beispiel beim Peugeot 208 zeigt. Der Kleinwagen kommt als Stromer und konventionell befeuerte Version in den Handel. Nebeneffekt: Die Batterieversion unterscheidet sich im Design nicht von den anderen Varianten. Selbst die Ladebuchse für die Antriebsbatterie verbirgt sich hinter der Tankklappe.

Überkommene Formen?

Die Kernfrage für den Designexperten Tumminelli ist: «Übernehmen wir den erlernten Designcode aus über 130 Jahren Autogeschichte und übertragen ihn auf den Elektroantrieb?» Oder eben nicht – denn andererseits bestehe die Chance, ein völlig neues Architekturkonzept für das E-Auto zu entwickeln. Batterieautos besäßen nur noch ein Drittel der mechanischen Elemente eines Pkw mit Verbrenner. Getriebe, Kupplung, Einspritzpumpe oder Auspuff? Im Stromer überflüssig.

«Wenn man vorn keinen großen Motor mehr hat, braucht man auch keine riesige Motorhaube oder einen riesigen Kühlergrill», erläutert Tumminelli. Hersteller wie Hyundai beim Ioniq oder Tesla beim Model 3 deuten den Grill nur noch durch eine Fläche an. Doch es ginge weit mehr. Die ganze Architektur des E-Autos ließe sich neu definieren.

Eine eigene Marke als Lösung?

Schritte in diese Richtung könnten mit einer eigenen elektrischen Marke einfacher umzusetzen sein. Nach dem Motto: «Ich verschrecke meine alten Kunden nicht, bediene aber neue mit einem neuen Konzept.» So etwas versucht Volvo gerade mit seinem Elektro-Ableger Polestar. In Genf steht der Polestar 2, der ab 2020 gebaut wird. «Im Vergleich zum normalen Volvo-Programm ist er zwar etwas reduzierter gestaltet», sagt Tumminelli. Aber konzeptionell eher gewöhnlich, so sein Fazit.

Weit experimentierfreudiger geht Citroën mit dem Ami One Concept vor: ein 2,50 Meter langes, nahezu würfelförmiges Vehikel ohne Motorhaube und Kühlergrill, das mit maximaler Innenraumausnutzung wirbt, gedacht fürs Carsharing. «Das senkrechte Box-Design schafft Platz im Innenraum», erklärt der Professor. Beim Ami One haben die Designer die Freiräume der E-Mobilität genutzt, Überflüssiges weggelassen und eine pragmatische Form der Mobilität gefunden, findet Tumminelli. Doch der Ami One ist bislang nur ein Konzeptauto.

VW erinnert mit dem knuddeligen ID Buggy an Strandautos der 1960er Jahre und will mit ihm die Flexibilität seiner Elektroplattform unter Beweis stellen, auf der dieser Buggy fußt. Für Tumminelli kein schlechter Schachzug.

«Auch als E-Auto Macho»

E-Autos haben ein sauberes Image, können aber auch für irre Performance stehen, wie das Sprintvermögen mancher Stromer zeigt. Oft ist beim Design jedoch nur einer der beiden Aspekte umgesetzt. Beispiel: der Q4 e-tron, mit dem Audi auf ein SUV-Serienmodell von 2020 blickt. Für Tumminelli schreit die aggressive Front: «Ich bleibe auch als E-Auto Macho.»

Der Designexperte vermisst mehr Ansätze, die E-Mobilität optisch aufzulösen und bestenfalls räumlich auszunutzen. Auch am Stand von Piëch wird er nicht fündig – ganz im Gegenteil. Der Urenkel von Ferdinand Porsche und ein Sohn des langjährigen VW-Chefs Ferdinand Piëch zeigt die elektrische Sportwagenstudie Mark Zero. «Eine vertraute Mischung aus Designthemen von Jaguar, Aston Martin und Porsche», analysiert Tumminelli. Ein klassisch gezeichneter Gran Turismo, der äußerlich nichts von seinem innovativen Antrieb verrät.

Neue Wege in Ansätzen

Ansätze, die das Fehlen eines Verbrenners aufzeigen, findet Tumminelli am Stand des italienischen Designhauses Giugiaro. Dort steht unter dem Label GFG Style der Kangaroo, eine Mischung aus Sportwagen und SUV. Zwar könne sich der Betrachter an einen typischen Mittelmotor-Sportwagen mit kleinem Kühler und kurzem vorderen Übergang erinnert fühlen, sagt der Professor. Ihm fallen aber auch «diese sauber fließenden Linien und eleganten glatten Flächen» auf.

Dass Hersteller die Möglichkeiten kaum ausschöpfen, hat laut Tumminelli mit Gewohnheiten zu tun. Die Strategie beim Fahrzeugdesign sei oft konservativ: «Beunruhigen wir nicht den Kunden, stellen ihn nicht vor schwierige Entscheidungen und machen Autos, die ihm vertraut vorkommen.» Es gehe auch um Fragen der Markenidentität, die Hersteller nicht leichtsinnig aufs Spiel setzen wollen.


(dpa/tmn)

(dpa)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert