60 Jahre Fiat 500: Als das Dolce Vita über die Alpen kam

Turin – Wo er auftaucht, schaut man in lachende Gesichter – egal, in welchem Alter die Passanten sind. Kleine Kinder sehen im winzigen Fiat 500 ein groß geratenes Spielzeugauto. In Müttern erwacht der Beschützerinstinkt. Frauen finden ihn zum Knutschen. Rentner erinnern sich an ihre Jugend.

Der Fiat 500 weckt bei allen die Sehnsucht nach dem Süden. Denn kein anderes Auto ist so sehr mit Italien und dem Traum vom Dolce Vita verbunden wie der Kleinwagen aus Turin, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert.

Der Cinquecento hat tatsächlich etwas italienisches Flair über die Alpen gebracht. Und zwar in einer Zeit, in der es noch nicht an jeder Ecke eine Pizzeria gab, sondern eine Eisdiele noch etwas Besonderes war, man noch Lambrusco aus Korbflaschen trank und niemand Cappuccino schreiben, geschweige denn fehlerfrei bestellen konnte.

Männer wie Christian Besser wollen den Kleinwagen aber nicht auf die Rolle als Lifestyle-Auto reduziert wissen. Der Fiat-Fan aus Mülheim an der Ruhr vom deutschen Fiat 500 Forum gesteht dem Kleinwagen vor allem eine große technische und historische Bedeutung zu. Denn als italienische Antwort auf den VW Käfer aus Deutschland, die Ente aus Frankreich oder den Mini aus England steht er für die preiswerte Massenmobilisierung im Stiefelstaat und für die radikale Vereinfachung eines Fahrzeugkonzeptes, rühmen die Fiat-Archive.

Obwohl der 500 mit seinen 2,97 Metern nur 30 Zentimeter länger als ein Smart ist und trotzdem vier Plätze bietet, muss sich der Fahrer kaum zusammenfalten. Die dünnen Stühlchen kann man soweit nach hinten schieben, dass selbst der üppige Genuss von Pizza und Pasta einem die Fahrfreude nicht verderben. Bei einem Radstand von 1,84 Metern reicht es hinten zumindest noch für die Bambini, und was vorn unter die Haube an Gepäck passt, ist genug für einen Adria-Urlaub.

Hat man sich erst tief nach unten in die Polstersesselchen plumpsen lassen, fallen die Hände wie von selbst auf ein spindeldürres Lenkrad, das groß und weiß im Raum steht. Die Füße suchen ihren Platz auf den winzigen Pedalen, die schon mit Schuhgröße 39 kaum mehr einzeln zu treten sind. Das Bediensystem ist so aufgeräumt, wie nur eben möglich: Drei Schalter, drei Kontrollleuchten, zwei Hebel neben dem Lenkrad, ein Tacho, eine kleine Handpumpe für die Scheibenwaschanlage und sonst lackiertes Blech.

Mit einem kleinen Hebel neben der Handbremse erweckt man den luftgekühlten Zweizylinder im Heck zum Leben. Es rattert, kreischt und knirscht ein paar Sekunden, dann tuckert der Motor wie am ersten Tag. Zwar ist der Wendekreis winzig klein, doch mangels Servolenkung muss man schon kräftig kurbeln, bis die winzigen Rädchen den richtigen Kurs einschlagen. Und als spritzig darf man den rüstigen Rentner kaum bezeichnen.

Aus einem Hubraum von 0,5 Litern schöpft der Zweizylinder halsbrecherische 13 kW/18 PS, die selbst bei einem für aktuelle Fahrzeuge undenkbaren Idealgewicht von 520 Kilogramm stark gefordert wirken. Trotzdem ist und bleibt er ein munterer Geselle, dessen Tachonadel sich nahe an die 100er Marke zittert.

Bei den Deutschen stand der Fiat 500 schon immer hoch im Kurs: Schließlich fuhren ein Gutteil knapp vier Millionen bis 1977 gebauten Cinquecento diesseits der Alpen – und zwar nicht nur im Dienst der Gastarbeiter und Pizzabäcker. Nicht umsonst haben die Italiener den Wagen sogar bei der NSU AG in Heilbronn montieren lassen.

Der 500er war als Neuwagen ein ungewöhnliches Auto und ist es auch als Oldtimer, sagt Fiat-Experte Besser – selbst wenn er den Bestand allein in Deutschland auf überraschend hohe 7500 Autos schätzt. «Ja, auch bei diesem Auto sind die Preise in den letzten Jahren ein wenig gestiegen», sagt Besser und erzählt von besonders raren Exemplaren, die schon mal 20 oder 25.000 Euro kosten.

Echte Abarth- oder «Sport»- Varianten liegen sogar auch mal bei 50.000 Euro. Aber für Spekulanten und Sammler ist der 500er nichts. Es gäbe bis heute noch durchaus restaurierungswürdige Relikte für unter 1000 Euro. «Und für 5000 Euro bekommt man ein Auto, das es ohne große Reparaturen noch zwei, drei Mal über den TÜV schafft.»


(dpa/tmn)

(dpa)

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